6. Mai 2011

Zur Zulässigkeit von Buy-out-Vereinbarungen im Bereich des Journalismus – OLG München Beschluss vom 21. April 2011 – Az: 6 U 4127/10 –

Eine für die Honorierung der Leistungen von Journalistinnen und Journalisten weitreichende, allerdings nur vorläufige Entscheidung hat das Oberlandesgericht München am 21.April 2011 getroffen. Es ging um die Frage, ob Angehörige dieser Berufsgruppe durch bestimmte Vertragsklauseln in der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Artikel unangemessen benachteiligt werden.

Antragsteller in dem vom Oberlandesgericht mit 100.000,– € bewerteten Verfahren war der Landesverband des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) für Berlin und Brandenburg, der Mitglied im DJV Bundesverband mit ca. 38.000 Mitgliedern ist. Nach seinem Satzungszweck widmet er sich der Wahrnehmung und Förderung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der hauptberuflich tätigen Journalistinnen und Journalisten. Antragsgegnerin war eine Gesellschaft, die Verlagsprodukte in Verkehr bringt, insbesondere die „Süddeutsche Zeitung“. Der Antragsteller hatte vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung erstrebt, wonach es der Antragsgegnerin verboten werden sollte, bestimmte in deren „Autorenanmeldeformular“ enthaltenen Honorarbedingungen für freie Mitarbeiter zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen, da sie die Urheber unangemessen benachteiligen würden.

Mit Urteil vom 12.08.2010 hatte das Landgericht München I den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die angegriffene Honorarvereinbarung als sogenannte Preisvereinbarung nicht der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliege, einer solchen Kontrolle darüber hinaus aber auch standhalten würde. Gegen dieses Urteil hatte der Antragsteller Berufung eingelegt und nun vom Oberlandesgericht auch überwiegend Recht erhalten. Bei einer Kostenverteilung von 2/3 zu 1/3 zulasten der Antragsgegnerin änderte das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts München I so ab, dass der Antragsgegnerin verboten wurde, bestimmte Honorarbedingungen für freie Mitarbeiter zu verwenden und/oder sich bis zur rechtskräftigen Klärung in einem Hauptsacheverfahren gegenüber freien Mitarbeitern darauf zu berufen, wenn folgende Klauseln enthalten sind:

Klausel 1: „Wir erlauben uns deshalb, darauf hinzuweisen, dass mit jeder Honorarzahlung die Einräumung folgender umfassender, ausschließlicher, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkter Nutzungsrechte abgegolten ist: das Printmediarecht inklusive das Recht zur Erstveröffentlichung, das Recht zur Bearbeitung, Umgestaltung und Übersetzung, das Recht für Werbezwecke, das Recht der elektronischen/digitalen Verwertung und der Datenbanknutzung sowie das Recht, die vorgenannten Nutzungsrechte auch auf Dritte übertragen zu können. Werden im Wege der Drittverwertung anderen Verlagen Printnutzungsrechte eingeräumt, so wird dies nach den jeweils geltenden Regelungen der Süddeutschen Zeitung zusätzlich honoriert.“

Klausel 2: „Drittverwertungsrecht:… Der Urheber ist nach dem Erscheinen des Beitrages in der Süddeutschen Zeitung frei, ebenfalls Drittverwertungsrechte einzuräumen. Indem Sie sich hiermit einverstanden erklären, entledigen Sie sich als freier Autor aber keineswegs umfassend Ihrer Rechte. Denn mit der Übertragung obiger Nutzungsrechte auf die Süddeutsche Zeitung GmbH räumen wir Ihnen die Befugnis ein, Ihre Beiträge für einen Zeitpunkt, der nach deren Veröffentlichung in der „Süddeutschen Zeitung“ liegt, selbst – in der uns gelieferten oder einer veränderten Fassung – weiterzuverwerten, also anderen Verlagen zur Print- oder elektronischen Verwertung anzubieten.“

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat zunächst festgestellt, dass es sich bei den angegriffenen Bestimmungen im streitgegenständlichen Autorenanmeldeformular nicht um eine nicht überprüfbare Preisvereinbarung sondern um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, deren Inhaltskontrolle dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht entzogen sei. Das der Antragsgegnerin nach dem Autorenanmeldeformular von Autoren einzuräumende Drittverwertungsrecht greife in den Geltungsbereich des urhebervertragsrechtlichen Beteiligungsgrundsatzes gemäß § 11 Satz 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG), wonach der Urheber grundsätzlich an jeder Nutzung seines Werkes angemessen zu beteiligen ist, insofern ein, als – abgesehen von der Weiterlizenzierung von Printnutzungsrechten an Dritte – mit der Vergütungsvereinbarung keine Beteiligung des Autors aus der Vergabe von Drittrechten anfällt, sondern letztere mit der im übrigen bestehenden Vergütungsregelung abgegolten ist. Der Senat ist der vom Landgericht vertretenen Auffassung, das Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) sei gegenüber den Bestimmungen der §§ 32, 32a UrhG nicht anwendbar, nicht gefolgt.

In der Sache hat der Senat ausgeführt, dass durch die angegriffenen Klauseln die Interessen der Urheber nicht ausreichend gewahrt seien, weil diese dadurch an der wirtschaftlichen Nutzung ihres Werkes bzw. ihres dem Verlag überlassenen Beitrags nicht angemessen beteiligt würden.

Zur Klausel 1: Zwar könne die Regelung einer Pauschalvereinbarung der Redlichkeit entsprechen, wenn sie – bei objektiver Betrachtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – eine angemessene Beteiligung am voraussichtlichen Gesamtertrag der Nutzung gewährleiste. Im Streitfall erscheine es jedoch fraglich, ob angesichts der umfassenden Rechteeinräumung mit der Bezahlung eines Pauschalhonorars für die Überlassung eines journalistischen Beitrags für eine Tageszeitung zuzüglich eines Folgehonorars im Falle der Vergabe von Printnutzungsrechten an Dritte eine angemessene Beteiligung des Redakteurs an der wirtschaftlichen Nutzung seines Artikels gewährleistet ist. Wenn auch ein journalistischer Beitrag für eine Tageszeitung in der Regel – anders als im Falle der Übersetzung einer Buchvorlage – nicht über einen längeren Zeitraum hinweg ausgewertet werde und Fragen der Absatzbeteiligung des Urhebers an der Verwertung seines journalistischen Beitrags oder der Beteiligung an Lizenzerlösen im Rahmen einer Drittverwertung für die Beurteilung der Angemessenheit eines Honorars im Regelfall nicht so sehr im Vordergrund stünden, sei jedenfalls in Kombination mit der Einschränkung, dass bereits mit jeder Honorarzahlung die umfassende Rechteeinräumung zugunsten des Verlages vollumfänglich abgegolten sei, die verfahrensgegenständliche Klausel (Nr. 1) mit wesentlichen Grundgedanken des Urhebervertragsrechts unvereinbar und benachteilige den Urheber unangemessen. Nach dem sogenannten Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung würde nämlich bereits eine Teilzahlung des vereinbarten Pauschalhonorars zur in der fraglichen Klausel vorgesehenen umfassenden Abgeltung der Nutzungsrechtsübertragung auf die Antragsgegnerin führen. Einer Auslegung der Honorarklausel dahingehend, dass „mit jeder Honorarzahlung“ nur das komplette Pauschalhonorar umfasst sei, stünde entgegen, dass diese Klausel nicht ausreichend klar und missverständlich formuliert sei und dem Transparenzgebot nicht hinreichend Rechnung trage.

Zur Klausel 2: Auch diese stelle sich als unangemessene Benachteiligung des Urhebers journalistischer Beiträge dar und sei daher ebenfalls nichtig. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 UrhG erwerbe der Verleger oder Herausgeber bei Überlassung eines Beitrages an eine Zeitung im Zweifel nur ein einfaches Nutzungsrecht. Der Grund für diese Regelung liege darin, dass ein Urheber häufig seinen Beitrag mehreren Zeitungen gleichzeitig anbieten muss, um die Chance zu erhalten, dass sein Beitrag überhaupt genommen wird. Müsste er der Reihe nach vorgehen und zunächst die Entscheidung der jeweiligen Redaktion über die Aufnahme seines Beitrags abwarten, wäre letzterer möglicherweise schon veraltet. Soll das vermieden werden, dürfe dieser nicht exklusiv gebunden sein. Die genannte Vorschrift sei zwar abdingbar. Hiernach mag die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts auf die Antragsgegnerin mit anschließender Rückübertragung von Nutzungsrechten auf den Urheber nach der Veröffentlichung des Beitrags – wie in der vorgenannten verfahrensgegenständlichen Klausel vorgesehen – für sich genommen noch keinen Konflikt mit dem durch die Tagesaktualität von Zeitungsberichten bedingten Bedürfnis der Berücksichtigung der besonderen Interessenlage von Zeitungsredakteuren darstellen. Mit den wesentlichen Grundgedanken des § 38 Abs. 3 UrhG sei allerdings eine vertragliche Regelung unvereinbar, die die Rückübertragung eines einfachen Nutzungsrechts an den Urheber davon abhängig macht, dass der Beitrag vorab in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wird. Den im Gesetz zum Ausdruck kommenden berechtigten Belangen des Zeitungsredakteurs trage eine derartige vertragliche Regelung ohne eine Öffnungsklausel, wonach der Urheber einen Beitrag auch verwerten kann, wenn dieser in einer anderen Tageszeitung erscheint, nicht hinreichend Rechnung. Die angegriffene Klausel eröffne demgegenüber der Antragsgegnerin die Möglichkeit, entweder den Beitrag überhaupt nicht zu veröffentlichen und ihn damit zu „sperren“, oder die Nutzungsrechte hieran auf einen anderen Verlag zu übertragen, der den Beitrag veröffentlicht. In beiden Fällen wäre sein Beitrag für den Urheber wertlos. Dies widerspreche der Wertung des § 38 Abs. 3 UrhG, mit der für den Urheber ausreichende und effiziente Verwertungsmöglichkeiten für ihrer Art nach schnelllebige Zeitungsbeiträge sichergestellt werden sollen.

Soweit das Landgericht in seinem Urteil eine dritte Klausel für zulässig erachtet hatte, wurde dies vom Oberlandesgericht unter teilweiser Zurückweisung der Berufung des Antragstellers bestätigt. Die Antragsgegnerin darf deshalb weiter folgende Klausel verwenden: „Drittverwertungsrecht: Der Süddeutschen Zeitung GmbH wird das Recht eingeräumt, die vorgenannten Nutzungsrechte auch auf Dritte zu übertragen und den Dritten zu ermächtigen, diese Nutzungsrechte wiederum weiter zu übertragen, gegebenenfalls auch mit der Maßgabe, abermals Drittverwertungsrechte einräumen zu können usw.“ Eine formularmäßige Zustimmung zur Drittverwertung in Fällen, in denen, wie beim Entstehen einer Tageszeitung, eine Vielzahl von Autoren mitwirke, sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts deshalb zulässig, da eine restriktive Handhabung in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen und die Funktionsfähigkeit eines im redaktionellen Massengeschäft tätigen Unternehmens unangemessen beeinträchtigen würde.

Gegen die Entscheidung des Senats ist kein Rechtsmittel möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (das relativ schnell zu einem vollstreckbaren Titel führt) ein Hauptsacheverfahren anschließen wird und die Parteien eine höchstrichterliche Klärung der Streitfragen, insbesondere der Zulässigkeit von sogenannten Buy-out-Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, anstreben.

Das Aktenzeichen des Verfahrens lautet: 6 U 4127/10

Mitteilung der Pressestelle des Oberlandesgerichts München für Zivilsachen

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